Allgemeines   Natur
  1  - Die Natur ist das Gleichgewicht allen Lebens, welches auch eines des  Schreckens sein  kann. Der Vulkan zerstört, doch er vollbringt nur sein  natürliches Werk und seine Asche kann neues Leben schenken; ein Tier  muss sterben, dass ein anderes leben kann. Auch der Mensch ist diesem  Gleichgewicht  unterworfen. Auch er kann nicht leben, ohne zu töten und  zu zerstören.
  2  - Der Mensch ist Teil der Natur und Teil der Welt. Dass er dennoch oft  von Umwelt und Umweltschutz spricht, verrät seinen anthropozentrischen  Blick. Auch heute noch handelt er viel zu oft, als ob er eine eigene,  unabhängige Welt und von einer anderen, fremden umgeben wäre. Um diesen  Frevel zu begreifen und, dass Umweltschutz immer Weltschutz und  menschlicher Selbstschutz ist, hat es erst des Klimawandels bedurft. 3  - Wenn der Mensch Teil der Natur ist, wird es  zunächst fraglich, ob er  sie überhaupt zerstören kann, oder ob nicht  alles, was er tut, zum  natürlichen Gleichgewicht und zur Veränderung gerechnet werden muss.  Aber so sehr der Mensch Teil der Natur ist, so  sehr hebt er sich durch  seinen größeren Geist und sein besonderes Mitleid vom Rest der  Natur  ab. 
  4 - Der Mensch muss sich als das übernatürliche Wesen begreifen, das er ist. Anders als die Natur kann er  etwas als Zerstörung wahrnehmen. Deshalb kann er auf  die Zerstörung  verzichten, welche die Natur oft selbst so gnadenlos  vollbringt, und  die Natur schützen. 
  5  - Gerade weil der Mensch sich gegenüber den anderen Lebewesen  auszeichnet,  soll er die Tiere nicht als Objekte seiner Ausbeutung  betrachten, sondern sie als Lebewesen achten und ihnen Rechte gewähren.  Er kann den tödlichen Kreislauf der Natur durchbrechen und auf den  Verzehr des Tieres verzichten.   Philosophie
 1   - Als Lehre vom guten Leben und der guten Gesellschaft bleibt die   Philosophie zu allen Zeiten unverzichtbar. Auch wenn es - wie jetzt -   gilt, die Welt vor der Katastophe zu retten, braucht es dafür einen   Grund, der über die Weltrettung als solche hinausgeht. Wir leben nicht   dafür, für das Gute zu kämpfen, sondern für das Gute selbst. 2   - Was gut ist, bleibt der Willkür und Strahlkraft unseres Gewissens   überlassen. Es gibt keinen Weg, das Gute zu begründen, weil das Gute   eben der höchste, nicht mehr von einem Anderen abgeleitete Wert ist. 3   - Wer sich auf das Gute beruft, muss auf das Gewissen vertrauen. Das   Gewissen ist nicht bloß eine natürliche Veranlagung; es bildet sich auch   an der Idee des Gewissens, die von den Menschen und der Gesellschaft   gepflegt wird. Je höher die Idee des Gewissens gehalten wird, desto   realer das Gewissen. 4   - Tugend ist Mäßigung, nicht Verzicht oder Exzess. Das Maßlose im   Negativen wie im Positiven führt in die Unwahrheit, weil es unserer   Natur widerspricht. Und ohne Wahrheit kann die Tugend nicht bestehen. 5   - Die erste Verfehlung ist die schlimmste, die zweite die leichteste.   Ist die allgemeine Regel ein einziges Mal gebrochen, kann sie nicht  mehr  wirklich allgemein sein: die Unschuld ist dahin, das Paradies   verloren.  Die Rückkehr ist unmöglich, der Widerstand ewige   Herausforderung. 6   - Doch nicht nur am Anfang ist die Verfehlung unendlich: Wie Konfuzius   sagt, kann eine schlechte Tat tausend gute aufwiegen. Das Schlechte   senkt die Waage immer auf seine Seite. Das zählt zu den Furchtbarkeiten   des Lebens. 7   - Moral ist die Stärke, Liebe die Schwäche des Herzens. Am leichtesten   hilft es sich mit kaltem Herzen, am besten liebt es sich mit heißem.  Die  Liebe zu allen Menschen verlangt viel Kraft, aber bleibt an der   Oberfläche. Die tiefe Liebe zu wenigen, zu einem Menschen muss viele   Menschen vergessen machen. 8   - Leben setzt die Befriedigung des eigenen Interesses voraus. Dieses   eigene Interesse lässt sich nicht völlig mit dem fremden versöhnen.   Dennoch wären wir nicht, gäbe es nicht Menschen, die unser Interesse zu   dem ihren gemacht haben und machen. Dadurch wird auch uns zur   Verpflichtung, im fremden Interesse zu handeln. 9   - Unser Verständnis des fremden Interesses leiten wir aus  dem des   eigenen ab, denn nur dort können wir einen allgemeinen Begriff von   Interesse bilden, der sich dann auf  uns und andere Menschen übertragen   lässt. Schon daher rühren die Grenzen aller Moral. 10   - Handeln wir im fremden Interesse, dann handeln wir moralisch, mag   auch dieses Handeln dem eigenen Interesse früher oder später einmal von   Vorteil sein. Im Leben verblasst die Grenze zwischen Eigenem und   Fremdem oftmals, ohne die Kluft dazwischen je vergessen zu lassen. 11  - In jedem Menschen  gibt es den unstillbaren Wunsch, moralisch zu  handeln. Niemand kann  sich heute dem Interesse des anderen Lebewesens,  solange es ein  menschliches ist, völlig entziehen, ohne sich selbst  seelischen Schaden  zuzufügen. 
  12   - Aus dem Streben nach persönlicher Moralität erwächst auch das nach   gesellschaftlicher. Der Einzelne nimmt nicht nur Schaden, wenn er   persönlich das Interesse des anderen verleugnet; auch ein System, in   welchem das Interesse des anderen keine Rolle spielen soll, wird ihn   nicht unversehrt lassen.
  13   - Die kapitalistische Wirtschaft ist  unfähig, das menschliche Streben   nach Moralität zu erfüllen. Sie reduziert alle Menschen zu   arbeitsteiligen Sklaven des Gewinnstrebens und der persönlichen    Entfaltung, ohne dass der meist kleine Gewinn und das private Vergnügen    der Seele einen Raum böten, sich als Mensch im edlen Sinne begreifen  zu   dürfen: Mensch mit Idealen und Selbstlosigkeit. 14 - Ein   moralisches Ziel muss für alle Menschen  erreichbar sein. Nicht dass   jeder es erreichen müsste - aber wenn sich aus dem Ziel ergibt, dass nur   wenige es schaffen können, ist es kein moralisches. Ruhm und Erfolg   sind deshalb unmoralisch, denn beide leben von Exklusivität.    Politik
  1   - Politik ist die Ordnung des Gemeinwesens. Wo Menschen nur ohne   gemeinsamen Zweck nebeneinander leben, wo Macht nur zum privaten Nutzen   eingesetzt wird, da ereignet sich keine Politik. Erst der Anspruch, das  Gemeinwesen zu ordnen, macht Handeln und Denken politisch. 2 - Politik soll beim Einzelnen beginnen und zum Gemeinwesen führen. Eine   Vereinigung der Einzelnen zu einer Gemeinschaft ist so unumgänglich,   dass der Einzelne nicht ohne diese gedacht werden kann. Dass der   Einzelne dennoch den Anfang bildet, ist dem Bewusstsein geschuldet,   welches nie das der Gemeinschaft sein kann, sondern dem Einzelnen   vorbehalten ist.
  3  - Der Mensch ist, ob er es will oder nicht, ein Gemeinschaftswesen.  Vieles spricht dafür,  dass er es auch will. Niemals hat ihn nur der  Krieg der Wölfe in die  Gemeinschaft getrieben, immer muss es die Freude  am Dasein des anderen  gegeben haben, der das eigene Dasein erst  verbürgt.  4   - Nicht jedes Handeln mit Bezug zum Gemeinwesen ist politisch. Aber   genausowenig ist der Ordnungsanspruch so zu verstehen, dass das   Gemeinwesen zu seinem Besten geordnet wird. Auch eine Ordnung, die den   Einzelnen Zwang antut, ist eine Ordnung.  Wohlgemerkt: hier ist nur   ausgesagt, dass dies Politik ist, nicht dass Politik so sein soll. 5   - Ordnung kann durch Zwang oder durch Einsicht erreicht werden. Die   Ausübung von Macht, nach Weber die Fähigkeit andere gegen ihren Willen   für seine Ziele einsetzen zu können, ist immer Teil von Politik. Aber   Teil ist immer auch die Fähigkeit, andere von seiner Legitimität zu   überzeugen. Politik ist Kampf um Macht und Legitimität.   Wirtschaft
  1 - Jede Gesellschaft und damit jede Wirtschaft gründet auf einem einigenden moralischen Prinzip. Nur die Kooperation genügt   diesem Anspruch. Die gegenseitige Unterstützung, bezahlt oder nicht,   kann nicht nur als allgemeine Regel für alle Menschen gelten, sie   ermöglicht auch den Aufbau einer friedlichen gemeinsamen Gesellschaft   und Wirtschaft. 2 - Konkurrenz dagegen kann niemals die letzte   Grundlage von Gesellschaft und Wirtschaft sein, denn sie trennt nicht   nur die Konkurrenten, sondern erhebt gerade die Exklusion zum Prinzip,   macht also das Ziel, den Erfolg, nur für Wenige, teils nur für Einen   erreichbar. Es ist unmöglich, "Du sollst gewinnen" oder "Du sollst   aufsteigen" als moralische Gebote aufzustellen, weil die meisten   Menschen bei der Befolgung dieser Regeln scheitern müssen. 3 - Dass die Konkurrenz über den Markt effizient sein   kann, muss überraschen. Es ist zunächst völlig widersinnig, dass   überhaupt Konkurrenz der Kooperation überlegen sein könnte. Der jedes   Sozialismus unverdächtige Schumpeter hatte deshalb noch über die Scharen   von Anwälten gespottet, die sich gegenseitig behindern und die der   Marsch in den Sozialismus überflüssig machen würde. Das Geheimnis des   Marktes ist, dass er dennoch effizient sein kann. 4 - Das Gewinnstreben als   erstes Pinzip unserer Wirtschaftsordnung schafft einen permanenten   Widerspruch: der Einzelne soll ständig erstreben, was durch die   Marktordnung wieder hinwegkonkurriert werden soll; der Einzelne will   Gewinn, der Markt will den Gewinn verhindern. Diese Verhinderung soll   wiederum gerade durch das Gewinnstreben der Einzelnen bewirkt werden,   und je mehr und je härter der Einzelne nach Gewinn strebt, desto weniger   soll es dem Einzelnen möglich sein, einen Gewinn zu machen. 5 - Dass der Markt funktioniert,   lässt sich weniger theoretisch begreifen als praktisch sehen. Man muss   nur auf das China der letzten Jahrzehnte blicken, um die ökonomische   Kraft des Marktes vor Augen geführt zu bekommen, mögen die Chinesen auch   klug in seiner Anwendung vorgegangen sein und ihm die richtigen  Grenzen  setzen. 6 - Die Arbeitsteilung schafft   eine Ordnung, in der nahezu jeder gezwungen ist, für fremde Interessen   wirksam zu sein. Die Tätigkeit selbst ist damit eine durchweg   moralische. Erst der Lohn, den der Arbeiter, erst der Preis, den der   Unternehmer erhält, macht deren Handlungen zu nicht mehr moralischen und   die Ordnung zu einer  potentiell gerechten. 7 - Weniges ist so schwer verständlich wie die Bildung von Wert.   Soviel ist gewiss: ein Wert ist weder willkürlich noch eindeutig,  seine  Objektivität speist sich aus dem Subjektiven. Diese Ambivalenz   entspricht dem Bedürfnis des Menschen: sowenig sich das konkrete  Bedürfnis  objektiv nennen lässt, so sicher hat der Mensch objektiv  Bedürfnisse.  Schon Robinson muss die Welt um sich und seine eigene Zeit  bewerten,  wenn er sich entscheidet, zu jagen, zu sammeln oder sonst  etwas zu tun. Es braucht also keinen Zweiten, keinen Austausch, damit  der Wert ein Problem darstellt.
  8 - Bedürfnisse sind   oftmals, aber niemals nur materieller Art. Jeder muss fressen, aber   jeder will auch wissen, warum er frisst. Mögen seine Versuche, eine   Antwort zu finden, noch so vergeblich und lächerlich sein, mag er beten,   sich schminken oder Gedichte schreiben: der Mensch wird nicht von seiner Suche ablassen und seine Zeit für Dinge verwenden, die keinen messbaren Wert haben.  9 - Die Volkswirtschaftlehre, Marx inbegriffen, neigt dazu, Bedürfnisse aufs Materielle zu reduzieren, weil sich die immateriellen der    Messbarkeit entziehen. Dadurch wird die Lehre aber nicht nur    unvollständig und realitätsblind. Sie gewinnt zugleich normative Qualität: die Welt, die sie nur zu beschreiben vorgibt, formt sie nun mit, ohne sie natürlich völlig verändern zu können. 
  10 - Die Bewertung der Bedürfnisse nach dem persönlichen Nutzen   ist viel schwerer als es scheint. Mit Hirschman lässt sich  feststellen,  dass Nutzen ein instabiles, ständig von Veränderung  betroffenes  Konstrukt ist. Wir wissen selbst kaum, was uns nützt.  12   - Ungeachtet aller Schwierigkeiten und Unmöglichkeiten bei der Messung   von Nutzen, Bedürnissen und Werten bleiben sie etwas Existentes und   Ursprüngliches. Erst nach ihnen kommt die Frage, mit welchen Mitteln sie   sich erreichen lassen. Die klassische Volkswirtschaftslehre dreht sich   de facto fast ausschließlich um die Frage, welches die besten Mittel   sind –  ohne sich aber dieser Abhängigkeit von vorgegebenen Nutzen,   Bedürfnissen und Werten und der daraus folgenen Beschränkheit wirklich   bewusst zu sein.
  13 - Der Preis folgt   dem Wert in seiner subjektiv-objektiven Doppelnatur, entsteht aber  erst  aus der Äußerung und Durchsetzung von Wertvorstellungen und deren   Kumulation. Durch die Knappheit der Ressourcen und die Konkurrenz der   Werte der Menschen kann sich der Preis vom Wert fundamental   unterscheiden. 14 - Was für die Menschen von Wert ist, zieht ihre Arbeitszeit an. Zumindest sollte es dies tun, wenn das Wirtschaftssystem und das Leben der Menschen nicht umsonst sein wollen. Dies hat zur Folge,   dass Wert und Arbeit in einer engen Verbindung stehen und dass hinter   den meisten Gütern von Wert auch Arbeit steckt. Ein Umstand, der Marx  zu  der verkehrten Sicht verleitete, der Wert folge aus der Arbeitszeit,  wo  es sich eben genau umgekehrt verhält. 15 - So eng nun die Verbindung von Wert und Arbeitszeit auch   ist, bleiben doch bedeutsame Fälle, in denen beide fundamental   voneinander abweichen: Grundstücke haben ihren Wert, ganz ohne dass   Arbeitszeit darauf verwandt wurde, selbst wenn man zugesteht, dass sich   dieser Wert auch auf zukünftige Wertsteigerung durch Arbeit bezieht.   Arbeitszeit kann verschiedenster Qualität sein. Umgekehrt lässt sich   unendlich viel Arbeit denken, die keinerlei Wert schafft oder die in   ihrem Wert durch neue Produktionsmethoden entwertet wird.   Europa
   1   - Die Vereinigung Europas begann als ökonomische Kooperation,  gerichtet  gegen die kriegerische Konkurrenz der Nationalstaaten. Später  trat an  die Stelle der Kooperation die ökonomische Konkurrenz  nationaler und  zunehmend europäischer Unternehmen, deren Interessen  auch heute noch  dominieren. Deshalb gilt es, an den Ursprung Europas zu  erinnern.
  2   - So wahr es ist, dass die Europäische Union nach innen trotz aller   ökonomischen Konkurrenz ein Friedensprojekt ist, so wenig vermag Europa   den Frieden nach außen zu tragen. Im Gegenteil zeichnet sich ab, dass   europäische ökonomische Interessen offen mit militärischer Gewalt   durchgesetzt werden sollen. Wieder mahnt es: gedenket des Ursprungs! 3   - Diese Warnungen vorneweg geschickt, muss auf das Positive der Union   geblickt werden. Nicht nur hat die Union Frieden gebracht,  Grenzen   niedergerissen und Menschen näher gebracht, sie schickt sich auch in den   letzten Jahren in einigen Bereichen an, von der Wettbewerbslogik   abzurücken und sich positiv zu integrieren.  4 - Die  Verankerung der lokalen Selbstverwaltung, die Stärkung des Europäischen  Parlaments und die Einführung des europäischen Referendums im Vertrag  von Lissabon sind Zeichen für eine politischere Union, die den Namen  einer Demokratie zu verdienen beginnt.  5   - Ein großes demokratisches Problem der EU ist das Fehlen einer   europäischen Öffentlichkeit. Vor allem die verschiedenen Sprachen, aber   auch die politischen Kulturen in den Mitgliedstaaten verhindern eine   solche Öffentlichkeit. Nur die Apparate in Brüssel und die hohe Politik   können der Illusion eines politischen Europa erliegen. Ob es jemals   gelingen wird, diesen Mangel zu überwinden, ist ungewiss.   Flüchtlinge
 1   - Die Flucht bleibt, wenn sonst nichts mehr bleibt. Der Flüchtling   verlässt sein bisher gelebtes Leben, nur um das Leben selbst oder   zumindest das Leben als lebbares zu retten. Indem er flüchtet, gibt er   den Kampf auf, seine Heimat zu einem bewohnbaren Ort zu machen. Er  verzichtet auf den Heroismus der möglichen Selbstzerstörung, um sich selbst zu erhalten. 
  2   - Nun sucht der Flüchtling einen Ort, wo er  sich Schutz, ein lebbares   Leben, ja vielleicht sogar neue Heimat erhofft. Doch weiß er,  dass er   seine wirkliche Heimat für den Moment verloren hat. Kein Zeitalter, da   es  dies nicht  gäbe: die Flucht, die Hoffnung.  3 - Wo    der Flüchtling hin will, erwartet man ihn nicht mit den Hoffnungen,   die  er selbst hat. Die Menschen dort haben ihre eigenen Hoffnungen, ihr    eigenes Leben, das sie schützen wollen. Das konservative Element in    allen Gesellschaften setzt den Flüchtling, diesen Ausgestoßenen, zudem   dem Verdacht aus, sich selbst ausgeschlossen zu haben, gerade dann, wenn er nicht nur Opfer einer allgemeinen Katastrophe  geworden ist. 4   - Oft bleibt dem Flüchtling auf seinem beschwerlichen Weg der Luxus  der  Legalität verwehrt. Mit einem illegalen Grenzübertritt oder anderen   Rechtsverstößen wird er meist von Anfang an gezwungen, sich außerhalb   der Rechtsordnung des Landes zu begeben, dessen Schutz er begehrt. Der  Verstoß kann geheilt werden, der Makel bleibt haften.
  5   - Der Flüchtling muss vom ersten Tag an hoffen, von den Menschen des   Schutzlandes verstanden zu werden: als Mensch mit gleichen Rechten, dem   es doch anders, schrecklich anders ergangen ist. Werden diese  Gleichheit  oder dieser Unterschied geleugnet, wird der Flüchtling auf   Unverständnis und Ablehnung stoßen.  6  - Der Schutz für Flüchtlinge setzt Menschenrechte voraus. Der Staat ist  gewohnt, Grundrechte nur für sein  Gebiet oder für sein Volk zu  gewähren; mit dem Asylrecht überträgt er  diese Rechte auf alle Menschen  in der Welt. Dass er sich dabei in die  Heuchelei begibt, ist solange  unvermeidlich, wie er nicht jeden Menschen  schützen kann. 7   - Deutschland hat mit dem Holocaust und vielen anderen Taten des   dritten Reichs eine Begründung für den Schutz für Flüchtlinge gegeben,   die nie vergessen werden darf. Aber gerade die Ungeheuerlichkeit dieser   Taten wird den Flüchtlingen von heute zum Verhängnis: der Kurde aus dem   Irak wurde nur mit Gas bombardiert, wer - wie die Juden zu Anfang -  ein  Berufsverbot hat, kommt doch nur aus wirtschaftlichen Gründen,   Bürgerkrieg ist ohnehin weltpolitischer Alltag. 8   - Doch der Erkenntnis, dass es für die Gewährung von Schutz nicht der   Nazi-Ungeheuerlichkeit bedarf, können sich kein Einzelner und kein  Staat  verschließen, die nicht selbst Mitverantwortung für unmenschliche   Zustände tragen wollen. Es ist nicht nur unmoralisch, ein Übel zu   verursachen, sondern auch, auf dessen Linderung zu verzichten.   |